Seit Tagen geht mir der Begriff <Weltanschauung> durch den Kopf. Ich habe ihn gehört und er blieb hängen. Er geht zu irgendetwas in mir in Resonanz, er schwingt und will etwas von mir. Und das muss ich dann herausbringen, damit er aufhört, in mir herum zu schwingen.
Beim Recherchieren über den Begriff fand ich heraus, dass unser deutsches Wort Weltanschauung in anderen Ländern als Lehnwort benutzt wird – in Frankreich heißt es direkt „la Weltanschauung“, in England sagt man „world view“, in Japan übersetzt man die Wörter ‚Welt‘ und ‚Anschauung‘ in die dortigen Schriftzeichen. Weltanschauung ist also ein Begriff von uns Deutschen. Und unsere Sprache verrät immer etwas über unsere Kultur.
Schauen wir die Welt mehr an als andere? Oder sitzen etwa die Weltanschauungen bei uns tiefer als bei anderen Völkern? Warum haben wir das Wort Weltanschauung geprägt?
Jeder von uns, der sich die Welt anschaut, tut das aus seiner ganz persönlichen Perspektive. Jeder tut das aus seiner psychischen Struktur heraus, aus seinen Vorlieben, Wünschen, Sehnsüchten. Da schwingt Erziehung mit, aber da schwingt auch all das mit, was man an Informationen über die Zeit hinweg aufgenommen und gebunkert hat. Wenn wir uns für objektiv halten, ist das nur ein großer kosmischer Witz.
Haben wir Ängste, die uns selber vielleicht nicht mal bewusst sind, dann gucken wir durch genau diese Ängste auf unsere Welt. Fühlen wir Mangel in unserem Leben, dann ist unser Blick auf die Welt gerichtet durch die Brille des Mangels. Wir sehen in der Welt immer das vermehrt, was in uns selber vorherrscht. Und wir neigen dazu, genau das an Informationen von außen aufzusaugen und für richtig zu halten, was unsere Gefühle und Gedanken bestätigt.
So und nicht anders entstehen Weltanschauungen.
Wäre ich bereit, zu akzeptieren, dass auch mein Blick auf die Welt verstellt ist durch allerhand ungeordnetes Blattwerk in meinem persönlichen Lebensbaum, wäre ich nicht mehr so hundertprozentig davon überzeugt, dass meine Weltsicht die Beste ist.
Wollten wir aber gemeinsam erreichen, dass unser aller Weltanschauungen etwas näher zusammenrücken, kämen wir nicht umhin, uns mit unserem Blattwerk zu beschäftigen. Im Garten tun wir das. Warum also nicht mal auf der persönlichen Ebene probieren? Diese Arbeit unterscheidet sich gar nicht so sehr von der Gartenarbeit – es gilt Beobachtungen anzustellen, sich all das Kraut anzusehen, was da in uns wächst. Es gilt Wurzeln auszugraben von Pflanzen, die wir da nicht haben wollen und sie auf irgendeine Art zu kultivieren, denn einfach ausreißen können wir sie nicht. Es gilt, eine Liebe für uns selber zu entwickeln, unseren Seelengarten kennen zu lernen, ihn zu pflegen, damit wir uns uneingeschränkt an ihm erfreuen können. (Lies hierzu die Gedichte ‚Wut I‘ und ‚Wut II‘ in der Rubrik Frausein)
Ach, wenn das jeder täte, hätten wir so viel mehr Verständnis für einander, für die Schwierigkeiten, mit denen ein jeder zu kämpfen hat, für die Mühe, die es kostet, sich immer wieder anschauen zu müssen, wie furchtbar töricht doch „Die Anderen“ die Welt sehen.
Weltanschauung ist ein deutsches Wort – dann lasst uns doch an dieser Stelle mit unserer Gründlichkeit vorgehen und zu guten „Seelengärtnern“ werden in der Welt.