Nachdem die Alte Scheune erbaut wurde, hat sie 125 Jahre ihren Dienst getan. Dann wurde eine neue Scheune in Betrieb genommen, sehr viel moderner, mit Kühlhaus und Aufzug. Über sie zog allerdings schon nach 25 Jahren die Zeit wieder hinweg, da wurde sie nicht mehr gebraucht.
Ist das ein Beispiel für die sich viel schneller verändernde Zeit, in der wir heute leben?
Die Alte Scheune wurde noch lange erhalten, in einem Zustand bewahrt, wie wir es auf dem Foto sehen können. Alte Kisten und manch Anderes, das man nicht wegwerfen wollte, wurden darin untergestellt. Die seitlichen Schuppen dienten als Garagen für Mieter.
Als wir Familiensprösslinge Jugendliche waren, ließ mein Vater einen „Hühnerstall“ in die Alte Scheune bauen. Zu Weihnachten sollten wir Hühner kriegen.
„Was für eine blöde Idee“ fand ich 13/14 jährige. Aber wie mein Vater uns an Weihnachten ganz enthusiastisch die Hühner zeigen wollte, stand da zu unserer völligen Überraschung ein großes Pony im Stall.
Von nun an hatte auch unser Hund, der nicht ins Haus durfte, einen warmen Schlafplatz in Gesellschaft. Er kuschelte sich nachts an Pollys Bauch. Und wir Kinder hatten eine neue Herausforderung und ein neues Hobby.
Vor 1989 fand die Alte Scheune dann noch einmal ihre alte Verwendung. Mein Bruder und sein bester Freund studierten im geteilten Berlin, die Bioläden wurden immer populärer und gemeinsam zogen sie einen kleinen Handel auf. Bioobst aus dem Alten Land wurde durch die „Zone“ nach Westberlin gebracht. Das lief gut und sie holten sich biologisch angebautes Gemüse aus anderen Regionen dazu. Die Alte Scheune diente ihnen als Zwischenlager.
Was nun noch folgt, ist der traurige Rest der Geschichte.
Mein Vater wurde krank und damit veränderte sich vieles. Das Leben erhielt eine andere Qualität, Prioritäten verschoben sich. Die Alte Scheune, obgleich unter Denkmalschutz gestellt, geriet vollends aus dem Fokus. Es kümmerte niemanden mehr.
Nein, das ist nicht ganz wahr – ein Familienmitglied wusste sie im Verborgenen als Lager für seine Sammellust zu nutzen. Fragwürdig Nützliches wie Schönes fand im hinteren Schuppen Platz.
Denkmalschutz – eine Sache mit zwei Seiten.
Würde es den Denkmalschutz nicht geben, wäre ein ganz großer Teil alter Gebäude, die uns an die Vergangenheit erinnern, nicht mehr da. Zu teuer, zu mühsam die Erhaltung. Lieber abreißen und was Neues. Denkmalschutz ist unbequem.
Mit dieser Haltung berauben wir uns jedoch unserer Herkunft. Wie schön ist es, durch ein Land zu fahren und die Charakteristika einer Region in seinen Häusern erkennen zu können. Um uns dies zu bewahren, gibt es den Daumen des Denkmalschutzes.
Aber: Gebäude zu erhalten, die im Grunde keine Verwendung mehr haben, die niemand mehr benutzt, die nur noch rumstehen – das mag für den Betrachter schön sein, aber nicht für den, dem das Gebäude gehört und der es erhalten muss.
Unsere Alte Scheune ist so ein Fall. Wenn nun aber jemand kommt und bereit ist, sich ihrer anzunehmen, sie zu restaurieren, ihr wieder Leben einzuhauchen und der Scheune eine neue Verwendung zu geben, dann transformiert dieser Jemand etwas aus der Vergangenheit in die Gegenwart und baut Zukunft auf alter Kultur.
Das ist moderner Denkmalschutz wie ich ihn mir wünsche. Das ist Retten von Kultur – ohne Muff und Anhaftung.