So sieht sie heute aus – Die Alte Scheune.

Vernachlässigt, irgendwie vergessen worden, nicht mehr angeguckt und nicht mehr gebraucht, sich selbst überlassen und der Zeit, die über sie hinweg floss.
Sie war mal ein schmuckes Bauwerk. Früher, vor nahezu 200 Jahren.

Im Jahre 1825 gab es im Februar die Große Halligflut, eine der schwersten Sturmfluten der letzten Jahrhunderte, schwerer noch als die 1962er Flut, von der Hamburg so schwer getroffen war. Von Dänemark bis zu den Niederlanden war die gesamte Nordseeküste davon in Mitleidenschaft gezogen, ebenso wie alle in die Nordsee mündenden Flüsse. Viele Tote. Deichbrüche aller Orten, so auch bei uns. Der Lühedeich brach zwischen unserem Nachbarn und uns und die Wassermassen rissen eine kleine Obstscheune mit sich, die dort gestanden hatte.

Es dauert oft nur 2, 3 Tage bis das Wasser sich nach der Katastrophe wieder verzieht. Dann tun die Menschen das, was sie immer tun nach Katastrophen. Sie versuchen, das Leben wieder in den Griff zu bekommen. Sie räumen auf und schauen auch nach vorne. Aktivität hilft. Den Schock aus dem Körper herausarbeiten. Das Trauma ‚auswaschen‘ und zu vergessen suchen, was in der Nacht Furchtbares geschehen war.

In Höhen ging man in die Planung. Eine neue Scheune musste her, eine, die schöner und größer sein sollte als die vorherige, eine, der eine Sturmflut nichts mehr würde anhaben können. Das Wertvollste für einen Obstbauern in damaliger Zeit ist nun einmal sein geerntetes Obst. Das ist sein Kapital, das ist seine Lebensgrundlage. Und dieses Obst lagert in der Scheune.
So wurde die ’neie Schüün‘ auf eine Wurt/Warft gebaut, als Fachwerkhaus, mit einem Reetdach und für damalige Verhältnisse schon sehr groß. Für alle Zeiten, könnte man denken. Die Wände wurden zwecks Isolierung bis obenhin mit Torf ausgefüllt. Ich kann mir vorstellen, man war stolz, als sie denn fertig war. Das war nach 1825.

Ab 1826 wurde die Scheune genutzt. Im oberen ‚Stockwerk‘ schliefen Pflücker, die bei der Ernte halfen, in großen, alten Holzbetten, ähnlich Kojen, unter dicken rot-weiß karierten Bettdecken.

Unten wurden die gepflückten Äpfel auf Schotten ausgeschüttet, die man zwischen den Wänden einhängen konnte. Denn man besaß gar nicht so viele Kisten, wie man benötigt hätte, um die ganze Ernte einer Saison darin unterzubringen und aufzubewahren. Die Apfelsorten, die man damals von den riesig hohen Bäumen mit großen Leitern in Pflückerschürzen (Schuuten) herunterholte, würde heute niemand mehr essen wollen.

Ich möchte noch ein weiteres Fenster öffnen zu der längst vergangenen Zeit.

Das Alte Land eignete sich nicht nur wegen des guten Marschbodens für den Obstanbau, nein, das wirklich Wertvolle war seine Nähe zu Hamburg und damit zur Möglichkeit einer sehr schnellen und kostengünstigen Vermarktung des Obstes.
An der Lühe gab es zwei Binnenschiffer, die mit ihren kleinen Schiffen (80 – 100 t) an zwei, drei Haltestellen das Obst der ansässigen Bauern aufnahmen und über die Elbe zum Großmarkt transportierten. Die Großhändler fuhren mit einem ‚Marktbus‘ morgens um 2 Uhr ebenfalls dorthin, nahmen ihr angekauftes Obst in Empfang und verkauften es dort an Einzelhändler (zu damaliger Zeit Kolonialwarenläden, vielleicht gab es schon Feinkostläden).
Diese Art des Transports wurde tatsächlich bis Anfang der 1960er Jahre genutzt.